Historische Ausbrüche von Vulkanismen in den Künsten - grob skizziert
Das Wort VULKAN ist eine Variation aus dem indogermanischen Wort VASU, welches ein Haus bzw. Berg des Feuers bezeichnet, nach dessen Funken (lat. VESVIA) der VESUV seinen Namen erhielt.
Als der italienische Vulkan Vesuv am Ende des 18. Jahrhunderts wiederholt Phasen längerer Eruptionen demonstrierte, zog dieses Naturschauspiel viele Künstler aus ganz Europa magmatisch an. In dieser Zeit residierte William Hamilton als englischer Botschafter in Neapel. Waghalsige Kratertouren und aufmerksame Observationen resultierten in seiner Publikation "Campi Phlegraei" als Beginn einer konsequent wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Vulkanismus. Seinem Gespür für die inspirierenden Qualitäten des aktiven Vesuvs folgend stellte er oftmals eigene Räumlichkeiten und Mittel für Künstler unterschiedlicher Genres großsponsorig zu kreativer Verfügung. In der von ihm angestifteten, einer Art ersten, europäischen Vulkan-und-Kunst-Kolonie wurde dann tatsächlich vor lavafontänender Kulisse getafelt, geschrieben, gelesen, gesungen, getanzt, musiziert, gefeiert und vor allen Dingen gemalt. Eine mittlerweile überquellende europäische Nachfrage nach Bildern des feuerspeienden Vulkans ließ mutige Maler sogar in brodelndste Nähe wagen, von wo einer allerdings nicht mehr mit Naturstudien zurückkehren konnte, denn sich auf seinen Leinwänden ein völlig neuer Malstil eingebrannt hatte (Helmut Draxler, Das brennende Bild - Eine Kunstgeschichte des Feuers in der neueren Zeit, Kunstforum No. 87, S. 191). Das Werk "Vesuvius" von 1774/75, geschaffen vom englischen Maler Joseph Wright of Derby gilt als eine der ersten reinen Farbskizzen der Kunstgeschichte. In dieser eruptiert und fließt nur noch pure Farbe, coloriert nicht mehr Gegenständliches, sondern erfüllt das gesamte Bild primär als diese selbst. "Das subjekt- bzw. künstlerbezogene 'Aktionsbild der Moderne war geboren" (a.a.O. S. 189).
Bereits im 17. Jahrhundert erwachte das Interesse kirchlicher Autoren an theatralischer Tauglichkeit von feuerspeienden Bergen und ihrem Wesen. Z.B. fingen sie damit an, in religiösen Aufführungen Vulkane, speziell den Vesuv, als Dämonen zu personifizieren, und diese Vulkancharaktere dann von Darstellern zu spielen waren. So hatte in einem Stück aus dieser Zeit der Vesuv einen moralisierenden Text aufzusagen, welcher aus 58 Worten bestand, welche alle mit V begannen.
Auch der Vulkan Stromboli erlangte seine jüngere, internationale Aufmerksamkeit durch die Kombination von Vulkanismus und Kunst in Form des 1949 auf ihm realisierten Films "Stromboli - Terra di Dio". Regie führte Roberto Rossellini, die Hauptrolle spielte Ingrid Bergman. Über mehrere Wochen wurde unter vulkanischen Bedingungen allen Beteiligten physisches und psychisches Überschreiten abverlangt. Zur gleichen Zeit drehte die Konkurrenz mit dem italienischen Weltstar Anna Magnani auf dem Nachbarvulkan Vulcano ebenfalls ein Liebesdrama in Vulkanmetaphorik und -realität. Letzterer wurde der künstlerisch erfolgreichere Streifen, der strombolianische dagegen der skandalösere, denn zwischen Regisseur und Hauptdarstellerin brach trotz beider Verehelichung mit anderen Partnern eine vulkanöse Liason aus, somit beste Werbung für liebesglutige Atmosphären auf Stromboli dahingehend eruptierte, daß der Tourismus kräftig zu strömen begann.
Literarisch kommen Romanautoren an einer Vulkanmetphorik zwecks Vermittlung intensiver Gefühle sowieso nicht vorbei (Du bist so heiß wie ein Vulkan! usw.). Die amerikanische Schriftstellerin Susan Sontag ist von Hamiltons Vulkanmanie sogar derartig inspiriert worden, daß sie dessen Liebe zum Vulkan und zu seiner jungen Frau Lady Hamilton, sowie deren späterer Liebesaffäre mit Admiral Nelson ins Buch "Der Liebhaber des Vulkans" verschmolzen hat.
Ein literarisches Meisterwerk gelang Alfred Döblin mit seiner 1949, nach dem letzten Ausbruchs des Vesuvs 1944, erschienenen Kurzgeschichte "Der Ausbruch des Vesuvs", in welchem er die psychologischen Konstellationen weltpolitischer Dilemmata hermeneutisch vulkanisiert. Diese Arbeit präsentiert genial und bisher einzigartig, zu welch zeitgenössischen, brennenden Themen jenseits der Liebesdramatik vulkanische Atmosphäre künstlerisch qualifiziert ist.
Der Schweizer Bildhauer Andre Bucher ist nach meinem Kenntnisstand ein künstlerischer Pionier dahingehend, daß er bereits 1976 direkt auf dem Ätna Materialien wie z.B. Bronze, Eisen, Kupfer mit frischer Lava zu Skulpturen kreiert hat ... siehe Mit dem Ätna fördern ...
Der deutsche Aktionskünstler Peter Gilles stieg seit 1985 unzählige Male auf den Stromboli. Nicht, um den Vulkan zu malen, nicht, um vulkanisches Material zu verarbeiten. Nein - er begab sich bewußt in die Nähe selbstvertrauender Unsicherheit, er ging so nah an die Krateraktivitäten heran, da er nur DA beider Aktivität messen wollte: in Kunst ... siehe Ladungen irdischer Spannung
20 Jahre Auseinandersetzung mit verschiedenen Aspekten des Feuers verstärkten Kain Karawahns Interesse an der Wirkung von Vulkanismen auf menschliche Befindlichkeit. Dieses führte 1999 zum Start des Projektes "Feuersalon", einer einmal jährlich von ihm organisierten, internationalen und interdisziplinären Begegnung auf dem aktiven Vulkan Stromboli. Der seit ca. 3.000 Jahren alle 20 Minuten ausbrechende Stromboli ist jederzeit sichtbar und hörbar das symbolische Feuer dieses mehrtägigen Salons. Teilnehmer aus Europa, Brasilien, China, Iran, Japan, Neuseeland, Süd-Korea, USA u.v.a., im Alter zwischen 18 und 66 Jahren, tätig in unterschiedlichen Berufen nutzten bisher die einmalige Atmosphäre eines mitten im Meer liegenden Vulkans samt dessen Vulkanismen als theoretisches und praktisches, für alle Themen offenes Atelier auf Zeit. Hieraus resultierte im März 2005 das öffentliche und internationale Ausstellungsprojekt Eruzione d'arte a Stromboli. Direkt auf dem Vulkan Stromboli, einem Ort ohne Museum, ohne Galerie und ohne kulturelle Infrastruktur zeigten lokale und internationale KünstlerInnen in Kirchen-, Privatgarten-, Buchhandlungs- und anderen Räumen zeitgenössische Werke zum Thema Vulkanismen. In den Ausdrucksformen Fotografie, Installation, Konzert, Lesung, Malerei, Musik, Performance, Skulptur, Sound, Tanz, Theater, Video markierten zum ersten Mal nach 200 Jahren mehr als 100 Einzelwerke die Wiederaufnahme öffentlicher und zeitgenössischer Auseinandersetzung mit Vulkanismen.
Zahlreiche Dokumentarfilme über Vulkane sorgen heutzutage für gewinnbringende Einschaltquoten im internationalen TV-Geschehen, doch konzentrieren sich die meisten Berichte auf katastrophales Schrecken. In Spielfilmen aus Hollywood (Volcano, 2000) wird sogar fiktionalisiert, daß sich Vulkane direkt unter Grossstädten (Los Angeles) zu aktivieren beginnen.
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