Das Verständnis von Naturereignissen als Spiel ist eine kulturelle Errungenschaft. Dieses ermöglicht es uns als Eintagswesen, so die Menschenbezeichnung des attischen Tragikers Aischylos (525-456 v. u. Z.) in seiner Tragödie Prometheus in Fesseln, uns eben auch allen Spielwendungen und -ausgängen mehr oder minder zu fügen. Und obwohl wir niemals alle Spielregeln kennen, spielen wir doch immer wieder im guten Glauben mit, am Ende der glückliche Gewinner zu sein. Denn wer trotzdem verliert, dann wenigstens Erkenntnis und Argumentation gewinnt, dass alle Spiele „nach der Natur“ eben als entscheidende Regel immer den Zufall ausspielen, unsere einfachste Bezeichnung für den Eintritt des Unberechenbaren.
Und so reiste der
8. Internationale Feuersalon
mit dem Thema Welches Spiel spielen Vulkane? zum seit 160.000 Jahren überseeisch vorspielenden Stromboli an, dieser sich dann auch bereits zur Ankunft am 14. März 2007 eindrucksvoll als sizilianisches Rotlichtmilieu präsentierte, denn seit dem 27. Februar 2007 wieder mal sein Ausmalen in den heissesten Farben der Malerei begonnen hatte.
Seitdem quillt in Höhe von 500 Metern aus schwarzen Löchern ununterbrochen Rot und Gelb heraus, hinabfließend als pastöse Glutbäche, sich über schwarze Monochromien immer wieder neu verzweigend und verzackend, direkt ins Blaue hinein. Wenn dort auf Meereshöhe unterirdisches Rot und oberirdisches Blau aufeinandertreffen, feiern sie die kosmische Regel dauernder Explosionen. Es präsentiert sich das NatUrSchauSpiel. Ein Farbpoly, in dem das Gemisch aus Rot, Gelb und Blau verkocht wird zu Schwarz und Weiß. Schwarz gebiert als neuestes Land und Weiß als neuester Dampf - in strudelnden Wolken, die sodann eine weiße und manchmal auch graue Fahne ziehend über den schwarzen Vulkanhang bis ins allerhöchste Blau kilometerweit anhimmeln. Dieser unaufhörlich wachsende Wolkensäulenstrom mit zunehmender Dunkelheit alsdann dominierendes Lavabettrot derart intensiv reflektiert, dass in vulkannächtiger Farbvermählung sogar Mond und Sterne zu erröten scheinen.
Wenn Stromboli alle paar Jahre sein zyklisches Überflussspiel in frischem Kolorit eröffnet, dann selbstorganisieren sich Malerei und Musik, dann vibriert ein poetisches Moment, welches eben auch die vesuvianische Vulkanmalerei im 18. Jahrhundert ausbrechen lassen musste. Gestern und heute vermittelt sich dieses Jahrmilliarden alte Zusammenspiel von Werden und Vergehen, vergewissert sich derlei Schaffensprozeß als Verbildlichung der Ansichten des griechischen Philosophen Heraklit (um 540 bis um 480 v. u. Z.), denn dieser damals schon schrieb, dass die absolute Lebendigkeit die heiße und nie endende Kraft des Werdens selbst ist: "Diese Welt, dieselbge von allen Dingen, hat weder der Götter noch der Menschen einer gemacht, sondern sie war immer und ist und wird immer sein ein ewig lebendiges Feuer, nach Maßen sich entzündend und nach Maßen erlöschend" (Fragment 22 B 30).
Und so saßen wir am Abend des 15. März 2007 auf 400 Metern Höhe in vollem Genuß des uns leuchtenden und wärmenden, lavatischen Rots und lauschten fasziniert dieser strombolianischen Sinfonie. Doch in das Konzert aus Gesängen der in dieser FeuerWasserMelange zahlreich kreisenden, auf Kochfisch rezeptierten Möwen, den pyrophonen Soli aus metallisch klirrendem Lavafließen, sturzrollenden Lavablöcken, phreatischen Explosionen und Dampfjets, sowie einer stockhausenden Grundstimmung aus tyrrhenischen Meeresräuschen und äolischen Windpartituren, mischte sich entgegen bisheriger Aufenthaltsdauerwünsche in solch heraklitischen, eben seelen- und logosdampfenden, Schönheiten so gegen 19:00 Uhr ein subjektives Mulmen.
Wir sahen zu, dass wir die ersten Reihen der strombolianischen Philharmonie schleunigst verließen und begaben uns abwärts zu unserem Herd in Ficogrande, sodann nach dem Essen das Thematisieren der Philosophie des Spielens mit Farben, Tönen und Sein paLAVArt wurde, als es plötzlich um 20:37 Uhr so laut knallte, wie ich es selber noch nie auf Stromboli vernommen hatte.
Ich blickte nach oben und sah zum ersten Mal das
Blühen des Stromboli. Eine schwarze, dichte Säule wuchs wie ein Stamm aus dem Gipfel des Stromboli und rauschte in atemberaubender Geschwindigkeit zu den Sternen - und so schnell, dass in ihr zahlreiche Blitze in tanzende Verzuckungen verästelten. Ein Anblick, wie ich ihn bisher nur aus zahlreichen Vesuvmalereien des 18. und 19. Jahrhunderts kannte. Sodann versprengten sich aus der Krone des schwarzen Kraterstamms aus Hunderten von Metern Lüften glühendste Granatäpfel weit in die Hangvegetationen hinein, teilweise hinunter bis auf 250 Meter über N.N., und bepflanzten derart die unbewohnten Bereiche Strombolis mit Feuerblumen unterschiedlicher Größe, Form und Blütendauer. All ihre Blühlichter schienen zu nichts anderem entzündet worden zu sein, als den Vulkan in einer Anmut zu illuminieren, welche weder foto- noch videografisch und schon gar nicht in virtualisierten Messwerten wiedergegeben werden kann.
Es dauerte ca. 30 Minuten, bis die letzte Feuerblume verglüht war und selbsttätig erlosch. Es dauerte ca. 18 Stunden, bis die schwimmenden, weit auf's Meer versprühten Partikel der eruptiven Bestäubung wieder an südliche Gestade des Stromboli brandeten. Und es wird noch einige Tage dauern, bis der von einer bis zu 3mm starken roten Aschenschicht überpuderte Ort Ginostra wieder freigefegt ist. Und doch wird alles unvergesslich bleiben für jeden Augen-, Ohren- und Sinneszeugen dieser äußerst seltenen vulkanischen Fruchtphase.
Eine
strombolianische Blütenstaubexplosion, dieser nächtliche Paroxysmus in den Iden des März, ist ein Lichterfest, ist die festlichste Vereinigung zwischen Vulkanismus und Malerei, ist eine Eruption der Farben in ursprünglichster Leuchtkraft. Ich war Augenzeuge eines für mich bis dato unglaublichen Energieschubs tief aus dem Innern dieses Planeten. strombolianischer Lavafluß und paroxysmusische Aktivität, alles mitten im Mittelmeer unter freiem Himmel auf jüngster Erde versinnbildlichen exakt das Sein, das Heraklit dachte. Und so wandelt sich das eigene Sein im aktuellen Naturereignis Stromboli in eine philosophische Reise zu den Gedankenblitzen des Heraklit, denn dieser vermutlich irgendwann mal auch an jenem Stromboli sinniert haben muß, denn sonst eine Aussage wie seine folgende nicht anders zu erklären wäre: "Feuers Wenden zuerst Meer, Meeres <sc.: Wenden> aber zur einen Hälfte Erde, zur anderen Hälfte Glutwind" (Fragment 22 B 31 a).
Illustrierende Beispiele in bester Qualität von Phasen der aktuellen Malerei des Vulkans Stromboli sind wie immer zu finden unter
Stromboli online
Volcano Discovery
vulkane net
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Ausgeglühter Granatapfel
Forgia Vecchia - 16 III 2007
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Verblühte Feuerblume
Forgia Vecchia - 16 III 2007
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Ausgeglühte Granatäpfel als Ursache der strombolianischen Feuerblumenblüte
Forgia Vecchia - 16 III 2007
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Rot veraschter Hafen
Ginostra - 17 III 2007
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Rote Asche auf Haus, Haupt und Haut
Ginostra - 17 III 2007
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Rote Aschenbahnen auf Sonnenkollektoren
Ginostra - 17 III 2007
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Text & Fotos © Kain Karawahn 2007
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