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Ein Hausmodell wird zum Modellvulkan - Cai Guo-Qiang - 26 VIII - 15 X 2006
Was ist ein Vulkan? Allgemeine Bildung läßt jeden von uns sofort eine aus flacher Landschaft ragende Erhebung in Kegelform assoziieren, aus dessen oberer Öffnung es temporär kracht, sprüht und dampft. Als Mass derlei vulkanischer Aktivitäten dient, und das ist schon wissenschaftliche Bildung, der Volcanic Explosivity Index (VEI), welcher bei 0 beginnt und mit 8 endet. Darüber braucht nicht mehr gemessen werden, da bereits ein Vulkanexplosivitätsindex von 8 mit globalen, klimawandelnden Auswirkungen einhergeht, ganze Gattungen dahingehend erschüttert werden, dass wir z.B. Dinosaurier heutzutage angstfrei streicheln können.

Achten werden seltener von Kegeltypen geworfen, sondern emporen sich hauptsächlich aus tiefergelegten Riesenschüsseln. Diese sind erst in jüngerer Zeit mit Hilfe von Satellitenaufnahmen als Vulkane überhaupt erkannt worden und werden eben wegen ihrer Dimensionen Supervulkane genannt. Zu der Gruppe dieser Klimawandler gehört z.B. die als National Park bekannte Yellowstone Caldera in den USA, von welcher nach Ansicht von Geologen in nächster Zeit mal wieder eine unvorstellbare Magmaspende zu erwarten ist.

Neben der explosivsten Waffenkammer der Welt verfügt die Supermacht USA somit auch über eine Supermagmakammer. Diese innere-untere Bedrohung wird in naher Zukunft große Teile der USA innerhalb kürzester Zeit auf natürliche Art und Weise versprengen. Und exakt in diesem Supermachtvulkanland lebt der Künstler Cai Guo-Qiang als wiederum im Land der angeblichen Schwarzpulvererfinder (mittlerweile stark angezweifeltes Klischee, dass es zum ersten Mal im Reich der Mitte knallte) Geborener und beschäftigt sich mit der Sprengkraft von Kunst. Per dynamitierten Performances, Installationen, grossformatigen Skulpturen und Bildwerkserien namens Gunpowder oder Explosion Paintings sprengte er sich in nunmehr 20 Jahren von China über Tokio nach New York und von dort in die oberen Ränge des internationalen Kunstmarktes.

Was hat das ganze nun mit Vulkanen zu tun? Sie waren die ersten Sprenger auf diesem Planeten und illustrierten durch göttlichwirkende Sprengnatürlichkeit alle Weltenbrandprophezeiungen, in denen es Feuer vom Himmel regnet. Denn bereits einmal, so eine These, wäre die Spezies Mensch beinahe ausgerottet worden, verursacht durch den vor ca. 74.000 Jahren erfolgten, letzten Ausbruch eines weiteren Supervulkans, dem indonesischen Toba-See.

D.h., dass Sprengungen in Folge von Vulkanausbrüchen das Mutterbild aller Explosionen sein müssen (aus dem All erfolgte Erdtreffer sind zu vernachlässigen), somit auch jedes andere Sprengereignis zuerst mit dem vulkanen Ursprengbild in uns paradigmatisch abgeglichen wird. Zwar machen wir seit mehr als 60 Jahren schöne Atompilze, doch Vulkane eruptieren variabler und damit inspirierender. Vielleicht haben wir uns ja auch darauf spezialisieren müssen, mit Sprengungen so viel wie möglich so gezielt wie möglich zu zerstören - um uns eben aus der Abhängigkeit von Explosionen vulkanischer Natur zu befreien? Nach der Eroberung des Feuers, verursacht durch den Verlust der Angst davor, folgte dann die Eroberung der Sprengung.

Doch gibt es eine kleine Gruppe von Menschen, darunter Künstler wie Roman Signer, denen es gelungen ist, die Poesie des sprengenden Schauspiels abzuspalten von dessen tragischen Schadenspotential, ja daraus eine Inspiration zu machen, die eben auch bei unseren Vorfahren zur Vergöttlichung der Kräfte sprengender Berge, zum Leben in deren Nähe geführt hatte - nur so läßt sich die Herkunft des Wortes Vulkan aus dem indogermanischen VASU erklären, womit ein Berg bzw. Haus des Feuers bezeichnet wird, also eher eine in ein sanftes Verständnis weisende Bezeichnung - zumal sich unsere Vorfahren gerne in die Nähe dieser Feuerberghäuser ansiedelten, deren archetypisches Zeltformat sie derart kopierten, dass die feuerherBERGende Hütte, das rauchende Zelt, das nachts leuchtende Haus bis heute in alle Fernen die Einheit von Mensch und Feuer signalisieren. Wo Feuer, da ist ein Haus, da geht's nach Haus, da ist zuhause. Im häuslichen Schein des Feuers wurde geboren und gestorben, es war der Menschen erstes und letztes Licht der Welt. Das derart von unseren Vorfahren genutzte und verstandene Feuer wurde DAS LebensZEICHEN und ZENTRUM menschlichen Daseins. Ein Haus ohne Feuer war kein Haus, sondern ein Stall. Somit wir in unseren Fernwärme- und Kaltlichtmilieus ja nun kein Feuer mehr brennen haben, zwar noch nicht in einem Stall leben, aber doch in einem feuerfreien Haus, welches dann nur noch als Krankenhaus bezeichnet werden kann.

Trotz dieser ihm unbekannten Aspekte, so räumte Cai Guo-Qiang in einem persönlichen Gespräch mit uns ein, hat er anlässlich seiner Ausstellung "Head On" vom 26.08 bis 15.10.2006 in der Deutschen Guggenheim Berlin aus einem nachgebauten Haus einen Vulkanausbruch mittels Pyrotechnik als Auszug des Feuers aus dem Urraum des Menschseins samt flammender Auslöschung von Haus und Mensch modelliert. Dieses von uns als Zitat des Urvulkansprengbildes zu sehende Werk samt der Veranschaulichungseffektpyrotechnik des blitzschnellen Auszug der Feuers aus diesem Haus, samt der dadurch verursachten In-Flammen-Setzung des feuerfreien Hauses, denn, wenn kein Feuer mehr im Haus ist, kann das Haus kein Haus mehr sein, hat somit im Eigenheimbrand final zu verlöschen, destilliert das Konzentrat: Der Mensch ohne Feuer ist kein Mensch mehr, braucht kein Haus mehr, wird ohne Feuer im Haus unmenschlich, brennt aus samt Haus am burn-out syndrom.

Zusätzlich wächst aufgrund des vom Künstler formulierten Bezugs zur Historie von Berlin diese Heimarbeit von Cai Guo-Qiang zur Allegorie eines urbanen Vulkans namens Berlin. Derart können nur wir interpretieren, denn wir zusätzlich noch vulkanisieren können, dass aus dem Berlin des II. Weltkriegs Unmengen von Bomben weit ins europäische Land eruptierten, deren Energien dann kurze Zeit später retournierten und die Stadt daselbst zum Krater ausbombten. Und um dann weitere Ausbrüche aus dem Ost-Berliner Teil zu verhindern, der komplette Westteil einen Kraterrand verpasst bekam, in Form einer Brandmauer - und diese wiederum höchstwahrscheinlich begünstigte, dass ab Fertigstellung des Mauerbaus zahlreiche Bewohner Berlin zur Stadt mit den meisten Schadensbrandstiftungen in Europa kürten und und und ...

Die eruptierende Hausarbeit, das Verschwinden des kranken Hauses in technisch optimierter Urbanität, die Realisation dieser Arbeit in der "Hauptstadt der Brandstifter" (Zitat eines Kriminalistenkongresses in Berlin) von Cai Guo-Qiang ist ein fantastisches Werk in der Kategorie Vulkan und Feuer und Mensch und Haus und Kunst und Berlin, von ihm betitelt und nun als bearbeitetes Videodokument mit dem Titel Illusion II in der Ausstellung projeziert. Geschmälert wird das Konzeptionelle dieses Werkes allerdings durch die vorzeitige Feuerwehrlöschung des nach dem Ausschuß der Pyrotechnik noch brennenden Modellhauses, sowie der Nichtpräsentation der verkohlten, brandverruchten Bleibsel desselben in eben einer Ausstellung im Haus der Firma mit der meisten Asche Berlins.

Bereits 1991 hatte Cai Guo-Qiang ein Werk zum Thema Vulkan und Kunst skizziert. Diese bisher nicht realisierte Konzeption Sakurajima Volcano Time/Space Reversion Project sieht vor, Krater (Höhe ca. 1.100 m über NN) und untermeerischen Grund des aktiven, japanischen Vulkans Sakurajima mittels wasserfester Lunte zu verbinden, diese zuerst am Meeresboden zu entzünden, sodann sich für den Betrachter kurzfristig eine aus dem Meer kommende über den Hang in den Krater zurückfließende Lava veranschaulicht.

Dagegen stellen sich bei der zweiten in der Ausstellung gezeigten Arbeit Vortex (siehe Abb.) klare vulkanisch-amerikanische Bezüge ein. Denn Cai Guo-Qiang plazierte auf weißem Reispapier im Format 4 mal 9 Meter einen ovalen Materialmix, welcher dann direkt in den Räumen der Deutschen Guggenheim Berlin gezündet wurde (siehe Abb.). Schauen wir da nicht auf eine Repräsentation des kommende Supervulkansprengbildes des Ausbruchmoments der Yellowstone Caldera? Und bleiben danach nicht zwischen den rußgeschwärzten auch gelbe (yellow) Fraktalen auf dem Reispapier zurück, sodaß es sich hierbei tatsächlich um eine Vorwegnahme der landschaftlichen Veränderung der USA eben nach der Eruption des Yellowstone handeln kann?

Cai Guo-Qiang's Arbeiten mit Feuer sind in zahlreichen Büchern, Katalogen und Videos/Filmen dokumentiert. Aus seiner "vulkanischen" Produktion entstammen vielfältige, multimediale Werke, die sich durch raum- und zeitspezifische Authenzität ganz besonders dann auszeichnen, wenn in ihnen beide Risiken zu verspüren sind, das des Feuers in Form nie 100prozentig kontrollierbarer Wirkung, was eben eine Sprengung ganz besonders schnell kann, und das der öffentlichen Rezeption eben verursacht durch nicht probbare Werkerzeugung in einmaliger Ort- und Zeitfixierung unter unkontrollierbaren Wetter- und Publikumssicht- und -kenntniseinflüssen - hier und heute muss was auch immer zu Kunst entzündet werden.

Von daher ist die dritte Ausstellungsarbeit Head on so harmlos daherkommend, wie die extra für sie hergestellten Wolfsmodelle im Schafpelz eher an ein Wolfsknäuel erinnern, denn an ein Rudel aus 99 Reißwölfen.

Cai Guo-Qiang arbeitet fast ausschließlich in großen Dimensionen, schafft Projects for Extraterrestrials, welche eben nicht immer auch eine Erhöhung des künstlerischen Gehalt potenzieren, somit er gerne auch von jenen, denen fundierte Kenntnisse im kulturhistorischen Feld Feuer und Vulkan nicht so geläufig sind, in die Effektecke versprengt wird. Doch können wir nur empfehlen, sich mit der vulkanischen Kraft seines Oeuvre unbedingt intensiv auseinanderzusetzen.

Autor: Karawahn

Entstehung von Vortex 2006
Foto © Hiro Ihara / Cai Studio

Vortex 2006
Schießpulver auf Papier 9 x 4 m
Foto © Hiro Ihara / Cai Studio

Illusion II: Explosion Project
9.30 pm, July 11, 2006
Stresemannstraße/Möckernstraße
Berlin, Germany
Foto © Hiro Ihara / Cai Studio

Zur Ausstellung erscheint der Katalog Cai Guo-Qiang: Head On (Deutsch/Englisch)

Weitere Infos zur Ausstellung: Deutsche Guggenheim Berlin
Weitere Infos zu Cai Guo-Qiang: www.caiguoqiang.com



 


 


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