Stromboli ist das aktivste aller sieben äolischen aus dem Wasser ragenden Aschlöcher. Denn während Alicudi, Filicudi, Lipari, Panarea und Salina ihr Inneres schon lange nicht mehr verspritzen, während Vulcano nur noch alle 100 Jahre zu erregen vermag, befriedigt Stromboli noch heute mit täglichen und nächtlichen Höhepunkten die Schaulust von Reiselustigen aus aller Welt.
Und so wird auch der 10. Internationale Feuersalon zwischen den Lustgeschossen des Stromboli zwangsläufig häufiger aufeinander prallen werden müssen als teilweise vormals und später höchstwahrscheinlich nie wieder, somit das Thema dieses letzten Feuersalons seiner Art folgendermaßen vertitelt wird: Verlust-lustig-Lust.
Abb.: Zimmer frei in der Canonica der Kirche San Bartolo/Stromboli am 19. März 2006 anlässlich des Festes zu Ehren des heiligen Josef
Wer weiß denn schon, ob es ein VerLUST ist, noch nie auf einem aktiven Vulkan seinen Müßiggang kuriert zu haben?
Wer weiß, ob es LUSTig ist, sich gemeinsam derart nah an frischesten Zutaten des Erdinneren zu verköstigen?
Wer weiß, welche LUST aufkommt, wenn das Vulkanische Gefühl zu kommunizieren beginnt?
Sind das nicht die Fragen gewesen, mit denen bereits der trunkenboldige Hephaistos auf seinem Esel heimtorkelte, daher völlig verspätet zu der berühmten und folgenden Weißeruption des Lukrez’ aus der geistigen Ära zwischen 97 bis 55 v.u.Z. eintraf?
Wenn schließlich einer meint, nichts werde gewußt, weiß er auch nicht, ob sich das wissen läßt, da er ja nichts zu wissen bekannt hat.
Aha! Somit scheint wohl doch derjenige ein besseres Lustspiel zu haben, welcher sich im täglich frisch überzogenen Aschenbett des Stromboli nicht nur das Frühstück schmecken läßt, sondern zugleich auch das eigene Lustschloß im geistigen Gut des Demokrit (460 bis 371 v.u.Z.) verschlüsselt:
Es gibt nichts als die Atome und den leeren Raum; alles andere ist Meinung.
Äh? Ist somit ein Vulkan und ein Sein auf diesem vermeintlich nun doch ein (Ver)Lustereignis? Ein (Ver)Lust(e)macher? (Ver)Lust(e)bringer? Und kann/darf ein Vulkan auch mal lustig sein? Können weitere Ausbrüche von Lukrez dann erste Antwort auf feuersalonistischvolllustige Fragen werden?
Zunächst ist unten hohl des gesamten
Berges Natur, gewöhnlich gestützt durch Bogen von Lava.
Weiter befindet sich Wind und Luft in jeder der Höhlen.
Denn zu Wind wird sie dann, wenn die Luft durch Treiben erregt wird.
Hat er erwärmt sich und ringsum erhitzt in rasendem Toben
alles Gestein, wohin er rührt, und die Erde, und jenem
hitziges Feuer entschlagen, hitzig mit hurtigen Flammen,
hebt er sich auf und wirft sich hoch heraus aus dem Schlunde.
Weit trägt darum die Glut er und weit verstreut er die Asche,
wälzt sich den Rauch mit seiner stickigen Schwärze
und stößt aus zugleich von erstaunlicher Masse die Felsen;
daß du nicht zweifelst, daß dies die wirblige Macht ist des Gases.
Außerdem bricht das Meer zum großen Teile am Fuße
dieses Berges die Fluten und schlürft zurück die Brandung.
Unterirdisch vom Meer gehen Höhlen bis hin zu den hohen
Schlünden hinauf. Daß auf diesem Weg ein Wehen hindurchstreicht,
mußt du bekennen; daß es tief eindringt, läßt schließen der offne
Tatbestand, und daß es herausbläst, drum Flammen heraushebt,
Blöcke von unten heraufschleudert, Wolken von Sand in die Luft treibt.
Auf der Höhe des Scheitels sind nämlich Krater, wie selber
jenes sie nennen, was wir bezeichnen mit Schlünden und Mündern.
Zahlreiche Gründe gibt es, für die nur eine Begründung
nicht ist genug, sondern mehrere so, daß eine sei gültig.
Unzweifelhaft wird es auf dem seit mehr als 2.000 Jahren aktiven Stromboli auch wieder ausbrechen zu einer vulkanischen Lust, deren Verspür wiederholt historisch allegorisiert und metaphorisiert worden ist, von Malern, Dichtern, Musikern und Philosophen. Und daher kann heutiger Mensch auf Stromboli ebenfalls wieder zum vulkanösen Lustwandler verstimmen, vulkanambul werden, weilend in sinnlichster Nähe zu heißesten Erdkörperflüssigkeiten und –ausdünstungen, als heimlicher Beobachter und Belauscher massiv aufgeladener Rein- und Rausbewegungen. Aber hallo! Das ist nichts Neues – das formulierte auch schon Epikur (ca. 341 bis 270/71 v.u.Z.):
Es nützt nichts, eine nur zwischen Menschen geltende Sicherheit herzustellen,
wenn die Vorgänge in der Höhe und unter Erde und überhaupt im Grenzenlosen beargwöhnt werden.
Es ist also nicht möglich, ohne Naturforschung unbeeinträchtigte Lustempfindungen zu erlangen.
Die unbegrenzte Zeit enthält ebensoviel Lust, wie die begrenzte, wenn man die Grenzen der Lust mit Überlegung abmißt.
Und so begeben sich im Kontext Vulkan und Kunst und auch zum letzten Mal als Feuersalon überhaupt
auf eine thematische Lustreise in folgender Besetzung: Luigi D’Alessio, Billie Erlenkamp, Frauke Dittmann, Usha Finke, Jochen Flad, Astrid Friedl, Kain Karawahn, Kuno Lange, Hermine Oberück, Karin Schürhoff, Aurelie Staiger und Christina Tiecke.
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S.M.Kreuzer Breslau
beim Vulkan Stromboli
1914
Sammlung Karawahn |
Vulkan und Äolus als Lehrer der Menschheit
ca. 1495-1505
Piero Di Cosimo |
Vulkanambul
Stromboli 2008
Kain Karawahn |
Venus und Amor
in der Schmiede des Vulkan
ca. 1600
Palma Il Giovane |
Blüten
Stromboli 2008
Kain Karawahn |
Text & Fotos © Kain Karawahn 2009 |